Ich bin ein Absolvent des Pylonensystems des Tempels Sets. Ich möchte meine eigenen Erfahrungen mit dem System beschreiben und den Zweck von Pylonen im Tempel Sets erläutern. Ich beschränke meine Erörterung auf lokale Pylonen, anstatt auch auf Korrespondenzpylonen einzugehen. Ich hoffe, dass in den kommenden Jahren viele weitere lokale Pylonen gegründet werden.
Der Bedarf an einer Schule wurde bereits in Die Psychologie der möglichen Evolution des Menschen von Peter D. Ouspensky eloquent beschrieben und ich werde hier nicht versuchen, seine Gedanken zusammenzufassen. Ich las das Buch Jahre bevor ich zum Tempel Sets kam, aber verstand es nicht. Es gab zwei Gründe dafür. Erstens war jede okkulte Gruppe, der ich begegnet war, ein wenig exzentrisch. Der beste Weg um eine Schule zu beurteilen ist, mit den Mitgliedern zu interagieren. Wenn die Mitglieder der Schule die Art von Resultaten erzielen, nach denen Sie streben, dann ist es die richtige Schule für Sie. Zweitens war mein Selbstgefühl zu schwach, um mich einer Schule zu unterwerfen. Im Innersten meines Herzens dachte ich, dass ich klüger, mächtiger und ganz einfach besser war als jeder, den ich getroffen hatte. Also stagnierte ich ohne eine Herausforderung. Ich war für zehn Jahre praktizierender Okkultist, bevor ich dem Tempel beitrat. Ich war, und bin, ein besserer Magier als die meisten, denen man begegnet.
Mein Erwachen kam bei einem Treffen mit Stephen Edred Flowers. Hier war eine Person mit Substanz - Gelehrter, Magier, sprachlich begabt - jemand, zu dem ich auf mehreren Ebenen aufblicken konnte. Ich hatte mein schwaches Selbstgefühl zumindest so weit überwunden, dass ich lernen konnte zu bewundern. Er war ein Mitglied des Tempels Sets. Er hatte den örtlichen Pylonen gegründet. Bewunderung ist eine Form der Selbst-Ermöglichung.
Zuerst fand ich die Idee eines Pylonen fragwürdig. Ich wußte damals, so wie ich noch heute weiß, dass die ersten Schritte der Initiation immer beginnen, wenn man allein ist, und dass sich die bedeutsamsten Veränderungen ebenfalls dann ereignen.
Ich war meiner Selbst nicht sicher genug, um mit einer Gruppe zu arbeiten, ich zweifelte daran, dass eine Gruppe mir irgend etwas beibringen könnte und ich hatte philosophische Bedenken gegen die Idee der Gruppenmagie. Meine Neugier überwand aber meine Arroganz und ich entschloss mich, beizutreten.
Das erste Ritual war pseudo-maurerisch und alles war genau vorgeschrieben, was für jemanden wie mich, der aus einem neo-schamanistischen Hintergrund kam, fürchterlich war. Aber während dieser Arbeit fand ich einen Sinn. Ein Sinn ist die magische Seite des intellektuellen Verständnisses, das man möglicherweise auch besitzt.
Die beiden folgenden Rituale waren effektiver. Dann wurde ich darum gebeten, den nächsten Ritus zu schreiben.
Es gab ein Mitglied des IV°, ein Mitglied des III° und drei Mitglieder des II° und mich selbst, ein I°.
Ich wusste damals (durch meine jahrelange Erfahrung in praktischer Magie), dass Magie, um erfolgreich zu sein, Präzision und Leidenschaft erfordert. Nun tauchte das alles in ein neues Licht. Ich wusste, wie ich erfolgreiches Material für mich erschaffen konnte, aber um eine effektive Gruppenarbeit zu schreiben, musste ich viel mehr über menschliche Motivation lernen, als ich es in den letzten zehn Jahren getan hatte. Ich musste meinen Blickwinkel auf die Herangehensweise verallgemeinern. Wenn Sie je etwas lehren mussten, war wohl eines der ersten Dinge, die Ihnen auffielen, die Erkenntnis, das Lehren der beste Weg ist etwas zu lernen - das heißt, Wissen zu verinnerlichen. Also musste ich etwas über menschliche Leidenschaften lernen - nicht weil es ein vorgeschriebenes Wissensgebiet war, sondern weil es für die Arbeit nötig war. Was die Präzision angeht, entschied ich mich zu einer Invokation Tezcatlipocas. Dafür gab es zwei Gründe. Erstens war ich schon immer fasziniert von aztekischer Mythologie und zweitens gab es mir die Möglichkeit, anzugeben. Ich stellte eine Menge Nachforschungen über Tezcatlipoca an und fand glücklicherweise The Fifth Sun von Burr Cartwright Brundage, eine hervorragende wissenschaftliche Studie, die mir wichtige Hinweise zum Archetyp des Fürsten der Finsternis gab. Hätte ich dieses Buch sowieso gefunden? Natürlich. Aber ich hätte es nicht mit der selben Intensität gelesen. Ich hätte das Wissen nicht verinnerlicht. Ich entzündete das Copal, schlug die Trommel und wir führten die Arbeit durch.
Der Zweck von Pylonen ist es, einen Fokus für Initiaten zu bilden, einen Ort, wo sie Wissen verinnerlichen können. Das passiert selten bei Personen, die unwillig sind, ihr Wissen und ihr Training zur Diskussion und kritischen Bewertung zu stellen. Ich war ein besserer Magier als manche der Mitglieder des Pylonen und wußte mehr in gewissen Gebieten. Na und? Ich war nicht so konzentriert wie sie. Mit dem Pylonen hatte ich einen Schleifstein gefunden, an dem ich mich schärfen konnte.
Der Ritus wurde im Pylonen-Newsletter veröffentlicht. Daraufhin traf ich andere Leute, die sich für aztekisches Gedankengut interessierten. Der Kiesel, den ich als I° geworfen hatte, wuchs im Tempel. Brundage ist auf der Leseliste, es gibt ein Element, das sich The Smoking Mirror nennt, und auf der Set XVI Konklave in Las Vegas verlas ich eine Invokation in Nahuatl.
Die Pylonen dienen dem selben Zweck wie die "Movements" im System Gurjieffs. Sie werden eine Chance zu Erwachen, Sehen und Handeln.
Pylonen sind der Ort, wo Sie Ihren Lehrer oder Ihre Schüler finden. Die meisten Mitglieder eines Pylon werden beide Rollen für Sie spielen.
Zwei Jahre nach meinem Beitritt zum Pylonen wurde ich sein Leiter oder Sentinel (Hüter/Wächter). Wir erlebten großes Wachstum - für kurze Zeit waren wir der größte Pylon ausser den Gates of Hell. Dann hatte ein Mitglied in einer anderen Stadt das Gefühl, bereit zu sein, einen eigenen Pylonen zu leiten und gründete eine Gruppe mit den dortigen Initiaten. Als eines der Mitglieder der örtlichen Gruppe sich dazu bereit fühlte, den Pylonen zu leiten, machte ich Platz.
Pylonen werden von einem Initiaten des III° gesponsert oder geleitet. Der III° hat die Aufgabe darauf zu achten, dass die Gruppe auf Setianische Philosophie und Magie konzentriert bleibt und ethische Richtlinien eingehalten werden.
"Standardmäßige" Treffen eines örtlichen Pylonen laufen so ab. (Ich könnte eine Million Anführungszeichen vor und nach "standardmäßig" setzen. Pylonen haben schon alles gemacht, von Fallschirmspringen über Tanzen an indianisch-schamanischen Plätzen bis zu öffentlichen Treffen in okkulten Buchhandlungen. Es kann sich jeder, aus jedem Grund, dazu entscheiden, an einer Aktivität des Pylonen nicht teilzunehmen. Man kann schließlich auch die Gebühr eines Fitnesscenters bezahlen und die Gewichte nicht nutzen.) Wir treffen uns zu Hause bei einem Mitglied. Der Sentinel des Pylonen teilt ein paar Zettel aus. Jeder schreibt darauf einige Fragen, die er diskutieren möchte, gibt den Zettel an den Sentinel zurück, der sie einsammelt, mischt und der Reihe nach vorliest. Jeder sagt etwas zu jeder Frage. Es ist ein großartiger Weg, um am Käfig zu rütteln - es werden Fragen gestellt, an die man niemals gedacht hätte; das ist ein großartiger Schub für die Initiation. Nach den Fragen und Antworten könnten wir eine Präsentation über magische Techniken haben. Jemand wird etwas untersucht haben und mit seinem Wissen angeben wollen. Dies ist ein weiterer Segen für die Initiation. Ich habe in Pylonen mehrere Vorführungen zu NeuroLinguistischer Programmierung, Runenmagie oder Vampyrischer Magie gesehen, die bessere Informationen als Seminare vermittelten, die hunderte von Dollars kosten. Zu einigen Themen, wie Trapezoidischer Magie oder Vampyrischer Magie kann man die Informationen natürlich nirgendwo anders bekommen.
Das Word Pylon bezieht sich auf die massiven, befestigten Zugänge der ägyptischen Tempel. Vielleicht möchten Sie ein gutes Foto des Tempels von Amen-Ra in Luxor oder das Abu-Simbel von Ramses II. ansehen und Ihre rechte Gehirnhälfte darin schwelgen lassen. Sie werden bemerken, dass der Zugang eine Passage zur äußeren Welt bietet, einen schmalen Zugang zum Inneren und als Sicherheitsmauer für die Personen im Inneren dient. Dies ist eine gute Metapher dafür, was ein Pylon sein sollte.
Pylonen können (und sollten möglicherweise) einen Effekt auf das objektive Universum in einem speziell Setianischen Sinn haben. Wenn es Ärger gegen Okkultisten, schlechte Presse oder was auch immer gibt - ein Brief wird vielleicht nicht viel helfen, aber eine Kampagne von vier Briefen von verschiedenen Orten könnte es. Der Tempel Sets hat keine politischen Ziele ausser der Ermutigung von freier Meinungsäußerung und Toleranz gegenüber Gruppen, die (wie der Tempel selbst) als "anders" angesehen werden. Tatsächlich können viele öffentliche Projekte von einer sehr kleinen Anzahl von Leuten mit koordinierten Zielen beeinflusst werden. Zusätzlich zu solchen offensichtlichen Handlungen sollte der Pylon selbst so erdacht sein, dass sein Egregor einen konstanten Einfluss auf die geographische Region hat. Auf diese Art stellt der Pylon eine Nachricht an das objektive Universum dar. Eine zweite gute Idee ist, dass der Pylon seine Aktivitäten an andere Pylonen berichtet, möglicherweise mit einem Newsletter. Dies kann dazu benutzt werden, um gleichzeitige Arbeiten und andere magische Vorhaben, die die Gesetze von Zeit und Raum Lügen strafen, zu unternehmen.
Der Zugang zu einem Pylon ist schmal. Er ist einfach durch einen Mann oder eine Frau zu bewachen. Die Rolle des Sentinels ist die des Wächters und Hüters. Hauptsächlich bedeutet das, dass der Sentinel einen sicheren Ort für Aktivitäten des Pylonen arrangiert. Es kann aber auch die unerfreuliche Aufgabe bedeuten, zerstörerische Elemente aus dem Pylonen zu entfernen. Der Sentinel kann jede Kleiderordnung oder Verhaltensregel, die er oder sie für den Pylonen wünscht, festlegen, um sich ohne übertriebene Auffälligkeit treffen zu können. Dazu muss der Sentinel seine Gemeinschaft kennen. Wenn Sie z. B. im Studentenviertel einer großen Stadt leben, können satanische Klamotten in Ordnung sein - sogar als ultra-cool für die Mitglieder gelten. Wenn Sie sich aber im Herzen eines weißen Vororts treffen, ist der Yuppie-Look möglicherweise besser. Wie sich die Mitglieder abseits des Pylonen kleiden - wen kümmert's? Magische Irreführung ist eine Fähigkeit. Es gibt manche, deren Individualität so dünn ist, dass sie nur bis zur Kleidung reicht - solche Leute können keine magische Irreführung anwenden, selbst wenn ihr Leben davon abhängt.
Der Pylon dient als sichere Mauer für die Personen darin. Wenn der Sentinel seinen Job gemacht hat, ist die Ernsthaftigkeit der Initiaten alles, was zählt. Wenn sie ihre Initiation verfolgen, werden sie den Pylonen für ihre Zwecke benutzen. Sie können Rituale schreiben, Diskussionsgruppen leiten, Ausflüge zu Museen machen, Mini-Konklaven organisieren, usw. Der Sentinel sollte keine größere oder geringere Rolle darin haben als die Anderen und sein Amt nur dazu benutzen, sicherzustellen, dass nicht eine Person die ganze Zeit für sich beansprucht. Die Interaktion mit Leuten - speziell mit Leuten, die kurz vor- oder hintereinander in der Initiation liegen - schafft einiges von dem besten Material, mit dem ein Initiat arbeiten kann. Was Pylonen machen, liegt an ihnen. Das einzige Interesse des Tempels an den Pylonen ist, dass sie die Früchte ihrer Arbeit teilen. Pylonen sind ein wichtiges Werkzeug für die Wiedererschaffung einer Initiatorischen Tradition auf der Erde.
Jedes Mitglied sollte zur magischen Arbeit des Pylonen beitragen, indem es Material auf Grund seiner gegenwärtigen Bedürfnisse erschafft. Der Sentinel sollte Arbeiten für den Pylonen entwerfen, um die bedeutendsten Initiatorischen Fragen, die aus Diskussionen entstehen, zu illustrieren und um das allgemeine Glück und den Erfolg der Mitglieder zu fördern.
Der Zugang zu Ihrer eigenen Initiation liegt in Ihrem Herzen. Aber oft wird er durch Umstände oder Gewohnheiten versteckt. Äussere Zugänge sind Symbole, die in den eigenen Übergangsriten verwendet werden können. Die meisten der Übergangsriten, die Sie in Ihrem Leben benötigen, müssen Sie selbst erschaffen. Pylonen sind so ein Zugang. Wahre Initiation kommt nicht aus Texten, sondern wird von Mund zu Ohr weitergegeben. Texte sind nur eine Ergänzung.
Niedergeschrieben sieben Tage vor dem Xepera Mundi Working XXXII.
Xepera Xeper Xeperu!
Nützliche Literatur: